die entführte Prinzessin |
Karen Duve gibt es auch als weitere Romanvorstellungen: Die fünfte Jahreszeit | Die entführte Prinzessin von Karen Duve Der schwarze Prinz oder: Warum stehen sich alle immer selbst im Weg? Wir befinden uns in einem seltsamen Königreich, das so hoch im Norden liegt, dass schon im Oktober dicke Eiszapfen an den Holzhütten und Holzpalästen hängen und der König ohne Unterlaß Rentierwitze erzählen muß, damit sein raubeiniger Hof nicht in Melancholie verfällt. Hier wohnt auch Prinzessin Lisvana, die so schön ist wie kaum eine andere Prinzessin ihrer Zeit, aber etwas zickig und vor allem so arm wie sonst keine. Denn außer massenweise Mücken im Sommer, meterhohem Schnee im Winter, ein paar Rentieren und großen Mengen von Steinen gibt es im Nordland nicht besonders viel. Und wahrscheinlich wäre Lisvana von dort auch niemals weggekommen, hätte sich nicht eines Tages der berühmte und vielfach preisgekrönte Sänger Penegrillo vorgenommen, den Verbandsrekord der fahrenden Sänger zu brechen und möglichst viele Königreiche in einer Saison zu besuchen, und wäre er nicht kurz vor Weihnachten im Nordland aufgetaucht.Auch das wäre wahrscheinlich folgenlos geblieben, hätte König Rothafur den Sänger nicht einfach einkassiert und einen langen Nordlandwinter auf seinem Schlosse festgesetzt, um sich einmal vom ewigen Rentierwitzerzählen zu entlasten. Penegrillos Huldigungslied, ihm selbst vom endlosen Vortrag vor dem rohen Nordlandpublikum schon längst schal geworden, verschafft Lisvana sagenhaften Ruf - und erreicht schließlich auch den "schwarzen Prinzen", Diego von Baskarien.Er ist der Thronfolger eines verschwenderisch reichen und hochzivilisierten Landes am Mittelmeer, dessen Sprache, Mode und Manieren weltweit den Ton der höfischen Gesellschaften prägen und dessen Hauptstadt Basko mehr Brücken hat als selbst Venedig. Diego hat allerdings ein Problem: Seine prunksüchtige Mutter liebt ihre - weltberühmten - Gärten mehr als ihn. Also kleidet er sich stets in Schwarz, ernährt sich ausschließlich vegetarisch, um möglichst viele Pflanzen zu vernichten, und ließ seinen ersten Garten, den die Mutter ihm einst zum zehnten Geburtstag schenkte, planieren und mit grauem Schotter bedecken. Kein Wunder, daß ihn nicht nur der Prinzessin Liebreiz lockt, sondern in seinen Ohren auch das Nordland wie Verheißung klingt.Als Diego freiend vor den Toren des nordländischen Schlosses auftaucht und die Prinzessin über seinen graziösen Anblick ihren früheren Verehrer Ritter Bredur glatt vergißt, schein alles seinen Lauf zu nehmen - aber dann geraten die Baskarier mit den Nordländern in Streit, aus der romantischen Brautwerbung wird eine hinterhältige Entführung, die entführte Prinzessin verweigert aus Treue zur Heimat die Heirat, und im Nordland sinnt man fortan finster brütend auf Rache. Es kommt zu abenteuerlichen Verwicklungen, in deren Folge der Prinz zum Sklaven seiner Gefangenen wird, Bredur allein loszieht, Lisvana zu befreien, und die Konkurrenten nach vielen Irrungen und Wirrungen Freunde werden, ohne gegenseitig von ihrer Identität zu wissen, während die Prinzessin von einem ganz anderen erneut verschleppt wird und verschwindet. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto weniger gelingt es den Akteuren, ihrem eigenen Antrieb zu folgen. Immer stärker werden sie von der Mechanik des bereits Geschehenen bestimmt.Karen Duve hat das seltene Talent, Anspruch mit Unterhaltung, sprachliche Präzision mit unbändiger Erzähllust und Komik mit erzählerischer Unbarmherzigkeit nahtlos zu verbinden. In Die entführte Prinzessin belebt sie alte Genres neu: Sie mischt Elemente des Märchens wie der Heldensage mit Motiven des psychologischen Romans und unterfüttert eine phantastische Handlung mit Stoffen und präzise recherchierten Motiven der Historie und der Weltliteratur - von der Kudrun-Saga bis zu Tausendundeinernacht, von der Bibel bis zu Moby Dick. Karen Duves Figruen bestehen die größten Kämpfe und Heldentaten meist im Ringen gegen sich selbst. Die Emanzipation von ewig übermächtigen Eltern, Trotzreaktionen, Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle treiben die Helden des Romans um - und der Autorin gelingt ein kleines Wunder: Die entführte Prinzessin ist phantastischer wie realistischer Roman zugleich und vermischt in mustergültiger Weise Unterhaltung mit literarischer Qualität.Karen Duve wurde 1961 in Hamburg geboren und lebt heute mit ihrer englischen Bulldogge
in Brunsbüttel in der Nähe von Hamburg. |