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03/29/2006 "Schokolade und Fastenzeit - durchaus legitimKulturgeschichtliches rund um die "Speise der Götter""
(aid) - "Schokolade bricht das Fasten nicht". So soll Papst Pius V. im Jahr 1569 entschieden haben, als die Bischöfe von Mexiko ihn um Rat baten, ob das Kakao-Getränk der Einwohner in der Fastenzeit getrunken werden dürfe oder nicht. Es ist nicht verwunderlich, dass der Vatikan so entschied, denn der ursprünglich von den Azteken und Mayas zubereitete herb-säuerliche "Xocoatl"-Trunk aus zerstoßenen Kakaobohnen, Wasser, Chili und Vanille war für europäische Gaumen nicht unbedingt genießbar. 250 Jahre lang wurde in allen katholischen Ländern Europas über Schokoladengenuss in der Fastenzeit heiß diskutiert. Die Frage war, ob Schokolade ein Getränk oder eine Speise sei. Die Jesuiten, die mit Schokolade handelten, argumentierten Anfang des 17. Jahrhunderts, dass sie ein Getränk sei und daher in der Fastenzeit erlaubt sein müsse. Die puritanischen Dominikaner aber hielten dagegen und vertraten die Meinung, dass Schokolade eine nahrhafte Speise sei und folglich in der Fastenzeit nicht legitim sein könne. Wiederholt wurden die amtierenden Päpste zum Thema Schokolade und Fasten befragt und entschieden für die Schokolade, obwohl ihr ein sinnliches und sogar anrüchiges Image anhaftete. Als Zutat des Kraft- und Liebestrunks "Xocolatl" hatte der spanische Eroberer Hernan Cortes die Kakaofrucht, "Theobroma cacao" (Speise der Götter), angeblich beim Aztekenherrscher Montezuma im Jahre 1519 entdeckt und mit nach Europa gebracht, wo sie zunächst am spanischen Königshof unter Verschluss gehalten wurde. Mit Zucker und Milch verfeinert, avancierte das ehemals herzhaft-bittere Elexier nach und nach in höfischen Kreisen und bald auch bei der gehobenen Gesellschaft zum Modegetränk. Einerseits als Lustgetränk verschrien, andererseits als Stärkungs- und Arzneimittel in Apotheken vertrieben - war der Siegeszug des "braunen Golds" im Industrie-Zeitalter nicht mehr aufzuhalten. Durch technische Verfahren wie das Entölungsverfahren des Holländers van Houten 1828 konnte die bis dahin ausschließlich als ungesüßte Tafel angebotene Schokolade erstmals auch in Pulverform und als verarbeitetes Produkt angeboten werden. Auch heute noch wird der Kakaofrucht, in der sich weit über 300 Substanzen finden, eine stimmungsaufhellende, aphrodisierende und verjüngende Wirkung zugesprochen. Das Sortiment der Kakao- und Schokoladenerzeugnisse ist so vielseitig wie nie und jeder Deutsche nimmt pro Jahr allein um die 8 Kilogramm Schokolade und Schokoladenwaren zu sich. Ob als Getränk oder Speise - wohl oder übel müssen Sie schließlich selbst entscheiden, ob Schokolade Ihr Fastenprogramm bricht oder nicht! aid, Ira Schneider
Schokolade und Fastenzeit - durchaus legitim
Kulturgeschichtliches rund um die "Speise der Götter"